Eine Muslimin darf weiterhin nicht mit Gesichtsschleier Auto fahren. Die 33-jährige Klägerin scheiterte mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin, das mit Urteil vom 27.01.2025 (Az. VG 11 K 61/24) entschied, dass die Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde rechtmäßig sei. Die Frau hatte eine Ausnahmegenehmigung beantragt, um trotz Gesichtsschleiers am Straßenverkehr teilnehmen zu können. Das Gericht wies ihre Klage jedoch ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Hintergrund des Falls
Die Klägerin, eine gläubige Muslimin, trägt aus religiösen Gründen einen Niqab, der das gesamte Gesicht bis auf die Augen verdeckt. Sie beantragte bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde eine Ausnahmegenehmigung, um auch mit Gesichtsschleier ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen. Die Behörde lehnte dies mit Verweis auf die Sichtbarkeitspflicht im Straßenverkehr ab.
Daraufhin zog die Frau vor das Verwaltungsgericht Berlin und argumentierte, dass das Verbot sie in ihrer Religionsfreiheit (Art. 4 GG) einschränke. Sie machte geltend, dass sie in anderen Lebensbereichen – beispielsweise in der Öffentlichkeit oder in Behörden – mit Gesichtsschleier auftreten könne und daher auch beim Autofahren eine vergleichbare Ausnahmeregelung gelten müsse.
Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin
Das Verwaltungsgericht Berlin wies die Klage ab und bestätigte die Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde. Die Richter begründeten ihr Urteil mit den verkehrsrechtlichen Vorschriften, die eine uneingeschränkte Identifizierbarkeit des Fahrers vorschreiben.
Das Gericht stellte klar, dass es im Straßenverkehr unerlässlich sei, dass Fahrerinnen und Fahrer eindeutig erkennbar sind. Dies diene nicht nur der allgemeinen Verkehrssicherheit, sondern auch der Durchsetzbarkeit von Verkehrsregeln, da Verstöße auf diese Weise dokumentiert und geahndet werden könnten. Die Pflicht zur Erkennbarkeit sei daher ein zwingendes Verkehrsinteresse, das eine Einschränkung der Religionsfreiheit rechtfertige.
Zudem verwies das Gericht auf die bestehenden Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und der Fahrerlaubnisverordnung (FeV), die keine Ausnahmen für das Tragen eines Gesichtsschleiers im Auto zulassen. Die geltenden Regelungen seien verhältnismäßig und stünden in Einklang mit den Grundrechten.
Kein Verstoß gegen die Religionsfreiheit
Die Klägerin hatte argumentiert, dass das Verbot sie in ihrer Religionsausübung beeinträchtige. Das Gericht erkannte zwar an, dass es sich um eine religiös motivierte Praxis handelt
, stellte jedoch klar, dass die Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Grundgesetz (GG) nicht uneingeschränkt gilt, sondern durch andere gewichtige Rechtsgüter begrenzt werden kann.
Das Gericht führte aus, dass das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit und die Notwendigkeit einer eindeutigen Identifizierbarkeit im Straßenverkehr schwerer wiegen als das individuelle Recht der Klägerin, ihren Gesichtsschleier auch beim Autofahren zu tragen. In diesem Zusammenhang verwies das VG Berlin auf frühere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Religionsfreiheit dort eingeschränkt werden kann, wo überragende Schutzgüter betroffen sind.
Zudem betonte das Gericht, dass das Verbot nicht die religiöse Praxis als solche untersagt, sondern lediglich deren Ausübung in einem bestimmten Kontext – nämlich beim Führen eines Kraftfahrzeugs – begrenzt. Die Klägerin habe die Möglichkeit, sich für alternative Mobilitätsformen zu entscheiden, bei denen eine Identifizierbarkeit nicht erforderlich sei, beispielsweise den öffentlichen Nahverkehr oder Fahrdienste.
Relevante Rechtsvorschriften und gesetzliche Grundlage
Das Urteil stützt sich maßgeblich auf folgende gesetzliche Regelungen:
- § 23 Abs. 4 StVO: Dieser Paragraph regelt, dass Fahrzeugführende ihr Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken dürfen, dass sie nicht mehr erkennbar sind. Dies gilt insbesondere für Vollverschleierungen wie den Niqab oder die Burka.
- § 21 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV): Hier wird vorgeschrieben, dass das Gesicht für Identifizierungszwecke jederzeit erkennbar sein muss, um Verstöße im Straßenverkehr wirksam ahnden zu können.
- Art. 4 GG (Religionsfreiheit): Das Grundrecht auf freie Religionsausübung ist ein hohes Gut, kann jedoch durch kollidierende Rechtsgüter eingeschränkt werden, insbesondere wenn Sicherheitsinteressen betroffen sind.
Das Verwaltungsgericht stellte in seinem Urteil klar, dass die verkehrsrechtlichen Bestimmungen eindeutig formuliert und die gesetzlichen Regelungen verhältnismäßig sind. Eine Ausnahmegenehmigung sei daher nicht erforderlich und nicht mit dem Gesetz vereinbar.
Bedeutung des Urteils für die Praxis
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin bestätigt die geltende Rechtslage in Deutschland und könnte als richtungsweisend für künftige Verfahren dienen. Es zeigt, dass die Sichtbarkeitspflicht im Straßenverkehr ein übergeordnetes Interesse darstellt, das individuelle religiöse Praktiken in diesem Kontext einschränken kann.
Für Musliminnen, die einen Gesichtsschleier tragen, bedeutet dies, dass sie beim Autofahren auf eine Vollverschleierung verzichten müssen. Andernfalls drohen Sanktionen wie Bußgelder oder Fahrverbote. Arbeitgeber und Behörden, die mit Fragen zur Religionsausübung im öffentlichen Raum konfrontiert sind, können sich auf diese Rechtsprechung berufen, wenn es um ähnliche Sicherheitsfragen geht.
Fazit: Kein Autofahren mit Gesichtsschleier
Das VG Berlin (Az. VG 11 K 61/24) hat entschieden, dass eine Muslimin mit Niqab keine Ausnahmegenehmigung zum Autofahren mit Gesichtsschleier erhält. Das Urteil bestätigt, dass das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit und Identifizierbarkeit Vorrang vor der individuellen Religionsfreiheit hat.
Damit wird erneut deutlich, dass Grundrechte wie die Religionsfreiheit nicht uneingeschränkt gelten, sondern im Rahmen der Gesetze und Sicherheitsvorschriften begrenzt werden können. Die Klägerin kann gegen das Urteil noch Rechtsmittel einlegen, doch bislang bleibt die Regelung bestehen: Wer ein Kraftfahrzeug führt, muss sein Gesicht erkennbar halten.