Die Abmahnung ist ein wichtiges Instrument im Arbeitsrecht. Sie dient nicht nur dazu, Fehlverhalten von Arbeitnehmern zu dokumentieren, sondern ist oft auch die Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung. Doch welche Anforderungen muss eine Abmahnung erfüllen? Welche Rechte haben Arbeitnehmer und Arbeitgeber? Und was sagt die aktuelle Rechtsprechung? Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Grundlagen und zeigt auf, wie Betroffene auf eine Abmahnung reagieren können.
Was ist eine Abmahnung, und welche Funktion hat sie?
Eine Abmahnung ist eine schriftliche Rüge des Arbeitgebers, die ein konkretes Fehlverhalten des Arbeitnehmers festhält. Sie hat zwei zentrale Funktionen: Zum einen soll sie das Fehlverhalten dokumentieren, zum anderen eine Warnung darstellen. Mit der Abmahnung wird dem Arbeitnehmer signalisiert, dass sein Verhalten nicht akzeptabel ist und im Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie eine Kündigung, drohen.
Die Abmahnung ist insbesondere bei verhaltensbedingten Kündigungen relevant, da sie nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit einer solchen Kündigung darstellt (BAG, Urteil vom 31.07.2014, Az. 2 AZR 505/13).
Welche Voraussetzungen muss eine Abmahnung erfüllen?
Damit eine Abmahnung rechtlich wirksam ist, müssen bestimmte Anforderungen erfüllt sein:
- Konkrete Beschreibung des Fehlverhaltens:
Die Abmahnung muss das beanstandete Verhalten klar und eindeutig beschreiben. Allgemeine Formulierungen wie „unzureichende Leistung“ sind unzulässig. Stattdessen muss konkret benannt werden, was, wann und in welchem Umfang vorgefallen ist (z. B. „Sie sind am 15.01.2025 unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen“). - Hinweis auf die Vertragsverletzung:
Der Arbeitgeber muss klarstellen, welche arbeitsvertragliche Pflicht der Arbeitnehmer verletzt hat. Dabei sollte auf konkrete Regelungen im Arbeitsvertrag, in Betriebsvereinbarungen oder in Gesetzen verwiesen werden. - Aufforderung zur Verhaltensänderung:
Die Abmahnung muss den Arbeitnehmer auffordern, sein Verhalten zukünftig zu ändern. Dies dient dazu, dem Arbeitnehmer eine Chance zur Besserung zu geben. - Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen:
Es muss deutlich gemacht werden, dass bei erneutem Fehlverhalten arbeitsrechtliche Konsequenzen, bis hin zur Kündigung, drohen.
Fehlt eine dieser Voraussetzungen, kann die Abmahnung unwirksam sein.
In welchen Fällen ist eine Abmahnung erforderlich?
Eine Abmahnung ist immer dann erforderlich, wenn der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen möchte. Typische Beispiele für Pflichtverletzungen, die eine Abmahnung rechtfertigen können, sind:
- Unentschuldigtes Fehlen oder Zuspätkommen
- Missachtung von Anweisungen
- Schlechtleistung oder Arbeitsverweigerung
- Verstöße gegen betriebliche Vorschriften (z. B. Hygienevorschriften)
Eine Abmahnung ist jedoch nicht erforderlich, wenn das Fehlverhalten so schwerwiegend ist, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (z. B. bei Diebstahl oder tätlichen Angriffen).
Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei einer Abmahnung?
Arbeitnehmer haben das Recht, gegen eine Abmahnung vorzugehen, insbesondere wenn sie diese für unberechtigt halten. Folgende Möglichkeiten stehen zur Verfügung:
- Gegenrede:
Arbeitnehmer können schriftlich Stellung nehmen und ihre Sichtweise schildern. Diese Gegenäußerung wird zur Personalakte genommen (§ 83 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz). - Einfordern der Entfernung:
Ist die Abmahnung unberechtigt oder enthält sie formale Fehler, kann der Arbeitnehmer die Entfernung aus der Personalakte verlangen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, unrichtige oder überholte Abmahnungen zu entfernen. - Klage vor dem Arbeitsgericht:
Wenn der Arbeitgeber die Entfernung verweigert, kann der Arbeitnehmer eine Klage vor dem Arbeitsgericht einreichen. Das Gericht prüft dann, ob die Abmahnung gerechtfertigt ist.
Welche Fristen gelten bei Abmahnungen?
Das Arbeitsrecht kennt keine gesetzlichen Verjährungsfristen für Abmahnungen. Allerdings verliert eine Abmahnung mit der Zeit ihre Wirkung, insbesondere wenn der Arbeitnehmer sich über einen längeren Zeitraum einwandfrei verhält. In der Praxis wird eine Abmahnung nach etwa zwei bis drei Jahren als „verbraucht“ angesehen und kann nicht mehr als Grundlage für eine Kündigung herangezogen werden.
Welche rechtlichen Fallstricke gibt es für Arbeitgeber?
Die Abmahnung ist ein scharfes Schwert, das jedoch sorgfältig eingesetzt werden muss. Folgende Fallstricke sollten Arbeitgeber vermeiden:
- Unzureichende Konkretisierung:
Allgemeine Vorwürfe ohne konkrete Beschreibung des Fehlverhaltens sind unwirksam. - Mehrfache Abmahnung desselben Vorfalls:
Ein Fehlverhalten kann nur einmal abgemahnt werden. Mehrfache Abmahnungen desselben Vorfalls sind unzulässig. - Missachtung der Verhältnismäßigkeit:
Nicht jedes Fehlverhalten rechtfertigt eine Abmahnung. Bagatellen, wie ein einmaliges kurzes Zuspätkommen, dürfen nicht abgemahnt werden. - Falscher Adressat:
Die Abmahnung muss von einer Person ausgestellt werden, die dazu berechtigt ist (z. B. Geschäftsführer oder Personalleiter).
Handlungsempfehlungen aus rechtlicher Sicht
Für Arbeitnehmer gilt: Reagieren Sie besonnen auf eine Abmahnung. Prüfen Sie, ob sie berechtigt ist, und nutzen Sie Ihre Rechte, um unberechtigte oder fehlerhafte Abmahnungen anzufechten. Ein klärendes Gespräch mit dem Arbeitgeber kann oft helfen, Konflikte zu lösen, bevor eine gerichtliche Auseinandersetzung notwendig wird.
Für Arbeitgeber ist es wichtig, Abmahnungen rechtssicher zu formulieren und die oben genannten Anforderungen genau zu beachten. Eine fehlerhafte Abmahnung kann im Falle einer Kündigung vor Gericht dazu führen, dass die Kündigung unwirksam ist. Regelmäßige Schulungen für Führungskräfte und die Einbindung von Fachanwälten für Arbeitsrecht sind empfehlenswert, um rechtliche Risiken zu minimieren.
In der Zukunft wird die Digitalisierung voraussichtlich auch die Abmahnung betreffen, etwa durch die Einführung digitaler Personalakten. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten daher auf dem Laufenden bleiben, um die rechtlichen und technischen Entwicklungen zu verstehen und entsprechend zu reagieren.