Dienstag, Juli 8, 2025

Rechtsmissbrauch bei Entschädigungsklagen nach dem AGG – Urteil des BAG im Fokus

Das BAG hat entschieden: Entschädigungsklagen nach dem AGG sind ausgeschlossen, wenn ein Bewerber das Gesetz rechtsmissbräuchlich nutzt. Dieses Urteil stärkt Arbeitgeber und setzt klare Grenzen für Ansprüche auf Grundlage des Gleichbehandlungsgesetzes. Lesen Sie, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf Arbeitgeber und Bewerber hat.

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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wurde ins Leben gerufen, um Diskriminierung zu verhindern und Chancengleichheit zu fördern. Es gewährt Betroffenen bei Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung, wie in § 15 Abs. 2 AGG geregelt. Doch was passiert, wenn dieses Gesetz zielgerichtet ausgenutzt wird, ohne dass ein echtes Interesse an der ausgeschriebenen Stelle besteht? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem solchen Fall am 19. September 2024 entschieden (Az. 8 AZR 21/24) und den Anspruch eines Klägers abgelehnt, weil es sich um einen Rechtsmissbrauch handelte.

Der Sachverhalt

Michael W., ein Wirtschaftsjurist, hatte sich auf eine Stelle als „Bürokauffrau/Sekretärin“ beworben, die auf einer Stellenbörse ausgeschrieben war. Es war nicht seine einzige Bewerbung dieser Art: Er reichte zahlreiche Bewerbungen auf geschlechtsspezifisch formulierte Stellenanzeigen ein. Sein Ziel war es, Entschädigungszahlungen nach dem AGG geltend zu machen, da solche Stellenausschreibungen gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen.

Das Unternehmen lehnte seine Bewerbung ab, woraufhin Michael W. Klage einreichte. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm wies die Klage ab und stellte fest, dass ein Rechtsmissbrauch vorliege, da der Kläger kein echtes Interesse an der Stelle hatte. Das BAG bestätigte dieses Urteil und betonte, dass der Anspruch auf Entschädigung ausgeschlossen sei, wenn das AGG zielgerichtet missbraucht wird.

Die rechtlichen Grundlagen

Das AGG untersagt Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Alter, ethnischer Herkunft, Religion, Weltanschauung, Behinderung oder sexueller Identität. Bei Verstoßen können Betroffene gemäß § 15 Abs. 2 AGG eine angemessene Entschädigung verlangen. Allerdings begrenzt das Gesetz diese Ansprüche durch die Generalklausel des § 242 BGB, der den Grundsatz von Treu und Glauben regelt. Hiernach sind Ansprüche ausgeschlossen, wenn sie auf rechtsmissbräuchliche Weise geltend gemacht werden.

Das BAG betonte, dass ein Entschädigungsanspruch nur dann besteht, wenn der Bewerber ernsthaftes Interesse an der Stelle hat. Die Vielzahl der Bewerbungen auf geschlechtsspezifische Stellen und die fehlende Qualifikation des Klägers für die ausgeschriebene Position ließen im vorliegenden Fall darauf schließen, dass der Kläger die Regelungen des AGG missbraucht hatte.

Bedeutung der Entscheidung

Signalwirkung für Arbeitgeber

Das Urteil des BAG gibt Arbeitgebern Rechtssicherheit im Umgang mit Entschädigungsklagen nach dem AGG. Es zeigt, dass Unternehmen sich gegen missbräuchliche Klagen wehren können, wenn sie nachweisen können, dass der Bewerber kein ernsthaftes Interesse an der Stelle hatte. Dies dürfte vor allem für kleinere Unternehmen von Bedeutung sein, die oft mit Klagen konfrontiert werden, die primär auf Entschädigungszahlungen abzielen.

Einschränkung des AGG

Gleichzeitig setzt das Urteil klare Grenzen für die Anwendung des AGG. Es unterstreicht, dass das Gesetz nicht dazu gedacht ist, ungerechtfertigte Ansprüche durchzusetzen. Diese restriktive Auslegung könnte jedoch dazu führen, dass berechtigte Klagen in Zukunft häufiger hinterfragt werden.

Auswirkungen auf Bewerber

Für Bewerber bedeutet das Urteil, dass sie im Rahmen des AGG nur dann erfolgreich sein können, wenn sie ein ernsthaftes Interesse an der ausgeschriebenen Stelle nachweisen können. Bewerber, die primär auf finanzielle Entschädigungen aus sind, werden es künftig schwerer haben, ihre Ansprüche durchzusetzen.

Handlungsempfehlungen

Für Arbeitgeber

  1. Dokumentation der Bewerbungsverfahren: Arbeitgeber sollten den Bewerbungsprozess umfassend dokumentieren, um im Streitfall nachweisen zu können, dass die Ablehnung auf sachlichen Gründen basierte.
  2. Neutral formulierte Stellenanzeigen: Um Diskriminierungsvorwürfen vorzubeugen, sollten Stellenanzeigen geschlechtsneutral und diskriminierungsfrei formuliert werden.
  3. Rechtsberatung: Bei Klagen nach dem AGG ist eine fundierte rechtliche Beratung unverzichtbar, um die Erfolgsaussichten der Verteidigung zu prüfen.

Für Bewerber

  1. Nachweis ernsthaften Interesses: Bewerber sollten sicherstellen, dass sie ein echtes Interesse an der ausgeschriebenen Stelle nachweisen können, um den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu vermeiden.
  2. Rechtsberatung: Im Falle einer Diskriminierung sollten Bewerber rechtlichen Rat einholen, um ihre Ansprüche effektiv geltend zu machen.
  3. Dokumentation: Alle relevanten Unterlagen, wie die Stellenanzeige und die Bewerbung, sollten sorgfältig dokumentiert werden.

Fazit: Auswirkungen auf die Zukunft

Das Urteil des BAG setzt klare Grenzen für Entschädigungsklagen nach dem AGG und schützt Arbeitgeber vor missbräuchlichen Ansprüchen. Gleichzeitig mahnt es Bewerber zur Sorgfalt und unterstreicht, dass das AGG nicht als Mittel zur Durchsetzung ungerechtfertigter Forderungen missbraucht werden darf. Diese Rechtsprechung dürfte in Zukunft zu einer differenzierteren Prüfung von Klagen führen und sowohl Arbeitgeber als auch Bewerber zu mehr Vorsicht bewegen.

Langfristig könnte das Urteil auch die Gesetzgebung beeinflussen, indem es den Gesetzgeber dazu anregt, die Voraussetzungen für Entschädigungsklagen genauer zu definieren. Dies würde zu mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten beitragen und das Vertrauen in das AGG als wirksames Instrument gegen Diskriminierung stärken.

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