Das sogenannte Bossing beschreibt eine spezifische Form des Mobbings, bei der gezielte Schikanen, Diskriminierungen oder Ausgrenzungen vom Vorgesetzten gegenüber einem Arbeitnehmer ausgehen. Diese Form des Machtmissbrauchs ist besonders gravierend, da sie nicht nur die betroffene Person psychisch belastet, sondern auch eine erhebliche Verschärfung des Arbeitsklimas nach sich zieht. Doch welche rechtlichen Ansprüche haben Betroffene, und wie lässt sich Bossing belegen? Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Aspekte, zeigt konkrete Handlungsoptionen auf und gibt eine Einschätzung zur künftigen Entwicklung.
Was versteht man unter Bossing?
Bossing wird juristisch als Unterfall des Mobbings betrachtet. Es handelt sich um systematische und gezielte Herabwürdigungen oder Benachteiligungen eines Mitarbeiters durch seinen Vorgesetzten. Anders als bei Mobbing unter Kollegen liegt hier ein klarer Machtgefälle vor, was es den Betroffenen erschwert, sich gegen die Übergriffe zu wehren. Die Handlungen können sich in Form von ständiger Kritik, ungerechtfertigten Abmahnungen, Übergehen bei Beförderungen oder sogar der absichtlichen Verweigerung von Arbeitsmitteln äußern.
Eine gesetzliche Definition des Begriffs gibt es nicht, jedoch greifen hier allgemeine arbeitsrechtliche Vorschriften wie die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (§ 618 BGB) sowie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Zusätzlich steht das Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) im Fokus.
Welche rechtlichen Ansprüche haben Betroffene?
1. Schadensersatz und Schmerzensgeld
Bossing stellt eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten dar. Der Arbeitgeber, in diesem Fall vertreten durch den Vorgesetzten, ist verpflichtet, die Gesundheit und das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zu schützen. Bei einem Verstoß können Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden. Ebenso haben Betroffene Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB, wenn durch die Handlungen psychische oder körperliche Schäden entstehen.
Ein wegweisendes Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm (Urteil vom 28.11.2013, Az. 11 Sa 722/13) sprach einem Betroffenen 10.000 Euro Schmerzensgeld zu, da dieser durch gezielte Diskreditierungen seines Vorgesetzten erhebliche psychische Schäden erlitt.
2. Abmahnung und Kündigung des Vorgesetzten
Arbeitgeber sind verpflichtet, gegen Bossing-Vorfälle vorzugehen. Betroffene können verlangen, dass der Vorgesetzte abgemahnt wird. Sollte das Verhalten anhalten, ist eine Versetzung oder im Extremfall sogar die Kündigung des Vorgesetzten möglich. Diese Maßnahmen dienen nicht nur dem Schutz des betroffenen Arbeitnehmers, sondern auch dem Arbeitsklima insgesamt.
3. Anspruch auf Entschädigung nach dem AGG
Sofern das Bossing auf einem der in § 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmale (wie Geschlecht, Alter, Religion oder ethnische Herkunft) beruht, können Betroffene eine Entschädigung gemäß § 15 AGG fordern. Hierfür ist es wichtig, die Diskriminierung nachweisen zu können, etwa durch Dokumentationen oder Zeugenaussagen.
Welche Schritte sollten Betroffene unternehmen?
Dokumentation der Vorfälle
Eine präzise Dokumentation ist unerlässlich, um Bossing rechtlich beweisen zu können. Ein sogenanntes Bossing-Tagebuch sollte alle Vorfälle mit Datum, Uhrzeit, beteiligten Personen und genauen Beschreibungen enthalten. Auch schriftliche Beweise wie E-Mails, Abmahnungen oder Zeugenaussagen sind von großer Bedeutung.
Gespräch mit dem Arbeitgeber oder Betriebsrat
Betroffene sollten zunächst das Gespräch mit der Personalabteilung oder dem Betriebsrat suchen. Nach § 85 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat die Aufgabe, Beschwerden von Arbeitnehmern zu prüfen und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen. Dies kann von einer Mediation bis hin zur Forderung nach einer Versetzung des Vorgesetzten reichen.
Rechtliche Schritte vor dem Arbeitsgericht
Wenn interne Maßnahmen erfolglos bleiben, bleibt der Gang vor das Arbeitsgericht. Dort können Betroffene Schadensersatz oder Schmerzensgeld einfordern. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein schlüssiger Beweis der Bossing-Handlungen. Gerichte prüfen in diesen Fällen insbesondere die Schwere der Übergriffe und deren Dauer.
Kündigungsschutz und Aufhebungsvertrag
Wenn die Situation unerträglich wird, können Betroffene unter Umständen eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB einreichen. Alternativ ist auch ein Aufhebungsvertrag denkbar, wobei der Arbeitnehmer in solchen Fällen eine Abfindung geltend machen kann. Hier ist anwaltliche Beratung besonders wichtig, um die Ansprüche optimal durchzusetzen.
Welche Perspektiven gibt es für die Zukunft?
In den letzten Jahren ist das Thema Bossing zunehmend in den Fokus geraten, nicht zuletzt durch die gestiegene Anzahl von Arbeitsgerichtsverfahren. Dennoch fehlt es bislang an einer spezifischen gesetzlichen Regelung. Experten fordern ein eigenes Anti-Bossing-Gesetz, das klare Definitionen und standardisierte Verfahren zur Beweisführung enthält. Auch die Einführung verbindlicher Schulungsprogramme für Führungskräfte könnte dazu beitragen, Bossing-Fälle zu reduzieren.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Bossing ist ein gravierendes Problem, das sowohl rechtliche als auch persönliche Konsequenzen nach sich zieht. Betroffene sollten frühzeitig handeln, indem sie Vorfälle dokumentieren und Unterstützung beim Betriebsrat oder in der Personalabteilung suchen. Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, stehen rechtliche Möglichkeiten wie Schadensersatzklagen oder Schmerzensgeldansprüche offen. Wichtig ist, dass Betroffene ihre Rechte kennen und konsequent durchsetzen.
Zukünftig könnte eine gesetzliche Regelung dabei helfen, den rechtlichen Schutz gegen Bossing zu stärken. In der Zwischenzeit bleibt es entscheidend, sich juristisch beraten zu lassen und gezielt Beweise zu sammeln, um die eigenen Ansprüche erfolgreich durchzusetzen.