Mobbing am Arbeitsplatz stellt in Deutschland ein ernstzunehmendes Problem dar, das nicht nur die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer psychisch und physisch belastet, sondern auch juristische Fragen aufwirft. Doch wie lässt sich Mobbing rechtlich fassen? Welche Rechte haben Betroffene und welche Konsequenzen drohen den Tätern oder dem Arbeitgeber? Der folgende Beitrag bietet einen umfassenden Überblick über die rechtliche Lage, zeigt Handlungsmöglichkeiten auf und gibt eine Einschätzung, wie sich die Rechtslage in der Zukunft entwickeln könnte.
Was ist Mobbing und wie wird es rechtlich definiert?
Mobbing ist weder im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) noch im Arbeitsrecht ausdrücklich definiert. Allerdings wird es juristisch als systematische Schikane, Diskriminierung oder Ausgrenzung über einen längeren Zeitraum verstanden, die die Würde des Betroffenen verletzt und dessen Gesundheit gefährdet. Maßgeblich sind hier die §§ 241 Abs. 2 und 280 Abs. 1 BGB, die den Schutz der Persönlichkeit und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers regeln. Entscheidend ist, dass es sich um wiederholte und gezielte Angriffe handelt, die den Arbeitnehmer in seiner beruflichen Stellung oder persönlichen Integrität beeinträchtigen.
Die Rechtsprechung, etwa das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 16. Mai 2007 (Az. 8 AZR 709/06), hat deutlich gemacht, dass Mobbing nicht auf Einzelhandlungen gestützt werden kann, sondern stets als Gesamtheit betrachtet werden muss. Die Abgrenzung zu alltäglichen Konflikten oder einmaligen Vorfällen ist daher von zentraler Bedeutung.
Welche rechtlichen Pflichten hat der Arbeitgeber?
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Rechte und die Gesundheit seiner Arbeitnehmer zu schützen. Diese Fürsorgepflicht ergibt sich insbesondere aus § 618 BGB und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Nach § 3 Abs. 2 AGG hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass Diskriminierungen – einschließlich Mobbing – verhindert oder unterbunden werden.
Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach, können Betroffene Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB geltend machen. Zudem sieht § 15 AGG Entschädigungsansprüche vor, wenn Mobbing auf einer der in § 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmale (etwa Geschlecht, Religion oder ethnische Herkunft) beruht.
Wie können Betroffene gegen Mobbing vorgehen?
1. Interne Schritte: Das Gespräch suchen
Betroffene sollten zunächst versuchen, die Konflikte intern zu klären. Ein Gespräch mit dem Vorgesetzten oder der Personalabteilung kann helfen, die Situation zu entschärfen. Dabei ist es wichtig, die Vorfälle genau zu dokumentieren. Eine Mobbingtagebuch, in dem alle Vorfälle mit Datum, Uhrzeit und beteiligten Personen festgehalten werden, kann im späteren Verfahren als Beweismittel dienen.
2. Externe Hilfe: Betriebsrat oder Gewerkschaft einschalten
Falls interne Gespräche erfolglos bleiben, können der Betriebsrat oder eine Gewerkschaft eingeschaltet werden. Der Betriebsrat hat gemäß § 85 BetrVG die Aufgabe, Beschwerden von Arbeitnehmern entgegenzunehmen und auf Abhilfe hinzuwirken. Bei schwerwiegenden Verstößen kann der Betriebsrat den Arbeitgeber dazu auffordern, Disziplinarmaßnahmen gegen die Täter einzuleiten.
3. Rechtliche Schritte: Klage vor dem Arbeitsgericht
Wenn die internen Maßnahmen scheitern, bleibt der Gang vor das Arbeitsgericht. Betroffene können gegen den Arbeitgeber klagen, wenn dieser seine Schutzpflicht verletzt hat. Dabei kommen insbesondere Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche in Betracht. Nach § 253 Abs. 2 BGB ist der immaterielle Schaden, etwa durch psychische Belastungen, ersatzfähig. Gerichte orientieren sich bei der Bemessung von Schmerzensgeld oft an der Schwere der Mobbinghandlungen und deren Dauer. In einem Fall hat das Landesarbeitsgericht Thüringen (Urteil vom 10. April 2001, Az. 5 Sa 403/00) einer Klägerin Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro zugesprochen.
4. Strafrechtliche Schritte
In extremen Fällen kann Mobbing auch strafrechtliche Relevanz haben, etwa wenn es zu Beleidigungen (§ 185 StGB), übler Nachrede (§ 186 StGB) oder Nötigung (§ 240 StGB) kommt. Betroffene können Strafanzeige erstatten, wodurch auch Ermittlungen gegen die Täter eingeleitet werden.
Welche Konsequenzen drohen den Tätern?
Täter müssen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Der Arbeitgeber kann sie abmahnen oder im Wiederholungsfall kündigen. Dabei ist jedoch stets eine Einzelfallprüfung erforderlich. Bei besonders gravierendem Mobbing, das nachweislich die Gesundheit des Opfers beeinträchtigt hat, kann sogar eine fristlose Kündigung gemäß § 626 BGB gerechtfertigt sein.
Gibt es spezielle Schutzmechanismen für bestimmte Berufsgruppen?
Bestimmte Berufsgruppen, etwa Beamte, sind aufgrund spezieller Regelungen zusätzlich geschützt. Beamte können sich bei Mobbinghandlungen auf das Bundesbeamtengesetz (BBG) berufen, das in § 78 BBG die Fürsorgepflicht des Dienstherrn festschreibt. Vergleichbare Regelungen finden sich auch in den Landesbeamtengesetzen.
Welche Perspektiven gibt es für die Zukunft?
Das Thema Mobbing am Arbeitsplatz wird zunehmend in den Fokus des Gesetzgebers rücken. In den letzten Jahren gab es wiederholt Forderungen nach einem eigenständigen „Anti-Mobbing-Gesetz“. Solche Regelungen könnten klare Definitionen und spezifische Anspruchsgrundlagen schaffen, um Betroffenen den Rechtsweg zu erleichtern. Bislang bleibt jedoch abzuwarten, ob der Gesetzgeber diese Initiative aufgreifen wird.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Mobbing am Arbeitsplatz ist ein ernstzunehmendes Problem, das sowohl rechtliche als auch gesundheitliche Konsequenzen nach sich zieht. Betroffene sollten frühzeitig handeln, indem sie Vorfälle dokumentieren und das Gespräch mit Vorgesetzten oder dem Betriebsrat suchen. Wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, bietet das deutsche Recht vielfältige Möglichkeiten, um Ansprüche geltend zu machen. Besonders wichtig ist es, die rechtlichen Pflichten des Arbeitgebers hervorzuheben und bei einer Klage gut dokumentierte Beweise vorzulegen.
Zukünftig könnte die Einführung eines speziellen Anti-Mobbing-Gesetzes dazu beitragen, die Rechtslage weiter zu verbessern. Für Betroffene bleibt jedoch die zeitnahe Suche nach rechtlichem Beistand der entscheidende Schritt, um ihre Rechte durchzusetzen und weiteren Schaden abzuwenden.