Die Teilnahme an rechtsextremen Veranstaltungen wirft komplexe rechtliche und gesellschaftliche Fragen auf, insbesondere wenn es um das Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst geht. Der Fall der 64-jährigen Simone Baum, die im November 2023 an einem sogenannten Potsdamer Treffen teilgenommen hat, veranlasste die Stadt Köln zu mehreren Kündigungen. Baum erhob daraufhin Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Köln (Az.: 17 Ca 543/24). Der Gütetermin Mitte Februar 2024 blieb erfolglos, sodass die Sache nun zur gerichtlichen Klärung anstand. Doch unter welchen Voraussetzungen kann die Teilnahme an einem solchen Treffen eine Kündigung rechtfertigen?
Ist die Teilnahme an einer rechtsextremen Veranstaltung ein Kündigungsgrund?
Grundsätzlich gilt, dass die Teilnahme an einer rechtsextremen Veranstaltung kein automatischer Kündigungsgrund ist. Entscheidend ist, ob das Verhalten des Arbeitnehmers eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellt. Simone Baum war als Angestellte bei der Stadt Köln beschäftigt, einer Institution, die sich den demokratischen Grundwerten verpflichtet sieht. Die Stadt argumentierte, dass Baum durch ihre Teilnahme das Vertrauen in ihre politische Neutralität und Loyalität verletzt habe. Zudem stehe die Teilnahme im Widerspruch zu den öffentlichen Interessen, die die Stadt als Arbeitgeberin zu vertreten hat.
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln
Das Landesarbeitsgericht Köln hat die Kündigung der Stadtverwaltung gegen Simone Baum jedoch für unwirksam erklärt. Die Verwaltung hatte der ehemaligen Beschäftigten im Umwelt- und Verbraucherschutzamt fristlos gekündigt, weil sie im November 2023 bei einem Treffen von Rechtsextremisten und Politikern von AfD, CDU und anderen Parteien in einer Potsdamer Villa teilgenommen hatte. Die Teilnahme allein rechtfertigte keine außerordentliche Kündigung, urteilten die Richter. Damit hob das Gericht die Entscheidung der Stadtverwaltung auf und stellte klar, dass die bloße Anwesenheit bei einer solchen Veranstaltung nicht automatisch einen schwerwiegenden Vertrauensbruch darstellt.
Welche rechtlichen Grundlagen sind relevant?
Eine mögliche Kündigung stützt sich auf § 626 BGB (außerordentliche Kündigung) oder auf § 1 Abs. 2 KSchG (sozial gerechtfertigte ordentliche Kündigung). Bei einer außerordentlichen Kündigung muss ein wichtiger Grund vorliegen, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Die Stadt Köln hätte darlegen müssen, dass Baums Verhalten objektiv geeignet ist, das Vertrauensverhältnis schwerwiegend zu beeinträchtigen. Hierbei kommt es auf eine genaue Abwägung der Umstände an. Die bloße Teilnahme an einer rechtsextremen Veranstaltung reicht nicht aus, wenn keine aktiven Handlungen oder Unterstützungsleistungen für verfassungsfeindliche Ziele nachgewiesen werden können.
Wie bewertet das Arbeitsgericht politische Aktivitäten von Arbeitnehmern?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in früheren Entscheidungen klargestellt, dass das außerdienstliche Verhalten eines Arbeitnehmers grundsätzlich durch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit (Art. 5 und Art. 8 GG) geschützt ist. Allerdings endet dieser Schutz, wenn die Aktivitäten das Ansehen des Arbeitgebers oder die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigen. Im Fall Baum hat das Landesarbeitsgericht Köln klargestellt, dass die Teilnahme an dem Treffen für sich genommen nicht ausreichend war, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob Baum aktiv an der Organisation oder Verbreitung rechtsextremer Inhalte beteiligt war oder lediglich als Teilnehmerin auftrat.
Welche Beweise sind erforderlich?
Die Beweislast liegt bei der Stadt Köln. Sie muss darlegen, dass Baum durch ihre Teilnahme objektiv gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen hat. Hierbei können Medienberichte, Fotos oder Aussagen von Zeugen eine Rolle spielen. Entscheidend ist, ob Baum durch ihre Teilnahme verfassungsfeindliche Ziele unterstützt hat oder ob ihre Anwesenheit als persönlicher Ausdruck einer politischen Meinung zu werten ist. Das Netzwerk Correctiv hat berichtet, dass auf dem Potsdamer Treffen radikale Rechte einen „Masterplan für Deutschland“ diskutierten. Sollte Baum jedoch nicht aktiv in diese Diskussionen eingebunden gewesen sein, könnte dies zu ihren Gunsten gewertet werden.
Welche Rechte hat Simone Baum?
Baum kann sich auf den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) berufen. Zudem genießt sie Schutz durch das Grundgesetz, insbesondere durch die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit. Diese Rechte stehen jedoch unter dem Vorbehalt, dass sie nicht zur Unterstützung verfassungswidriger Ziele missbraucht werden. Baum hat argumentiert, dass ihre Teilnahme an dem Treffen keine aktive Billigung rechtsextremer Inhalte darstellt, sondern im Rahmen ihres Grundrechts auf freie Meinungsäußerung erfolgt ist.
Wie sieht die Rechtslage bei Kündigungen im öffentlichen Dienst aus?
Im öffentlichen Dienst gelten besonders strenge Anforderungen an die Loyalität und Verfassungstreue von Arbeitnehmern. Gemäß § 33 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) müssen Bedienstete des öffentlichen Dienstes ihre gesamte Arbeitskraft dem Wohl der Allgemeinheit widmen. Für Angestellte wie Simone Baum ist diese Vorschrift nicht direkt anwendbar, jedoch wird sie in der Praxis oft herangezogen, um die arbeitsvertraglichen Loyalitätspflichten zu konkretisieren. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Neutralität und Integrität der Stadt Köln könnte durch Baums Teilnahme am Potsdamer Treffen erschüttert sein, was eine Kündigung rechtfertigen könnte.
Welche Konsequenzen hat der Fall für die Praxis?
Der Ausgang dieses Verfahrens wird Signalwirkung für ähnliche Fälle haben, in denen das außerdienstliche Verhalten von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst zur Diskussion steht. Sollte das Arbeitsgericht die Kündigung der Stadt Köln bestätigen, könnten Arbeitgeber im öffentlichen Dienst verstärkt gegen Mitarbeiter vorgehen, die durch ihr Verhalten Zweifel an ihrer Verfassungstreue aufkommen lassen. Umgekehrt würde eine Entscheidung zugunsten von Baum die Bedeutung der Grundrechte von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst stärken.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Der Fall Simone Baum illustriert die komplexe Abwägung zwischen den Grundrechten von Arbeitnehmern und den berechtigten Interessen des Arbeitgebers. Arbeitgeber im öffentlichen Dienst sollten bei Verdachtsfällen sorgfältig prüfen, ob eine Kündigung rechtlich haltbar ist, und eine umfassende Dokumentation sicherstellen. Arbeitnehmer hingegen sollten sich ihrer Loyalitätspflichten bewusst sein, insbesondere wenn sie im öffentlichen Dienst tätig sind. Die rechtliche Entwicklung bleibt abzuwarten. Es ist möglich, dass der Gesetzgeber künftig klarere Vorgaben für den Umgang mit solchen Fällen schafft, um sowohl die Grundrechte als auch die Integrität des öffentlichen Dienstes zu wahren.