Die Überwachung von Arbeitnehmern durch Detekteien ist seit jeher ein kontroverses Thema im Arbeitsrecht. Mit seiner Entscheidung vom 25. Juli 2024 (Az. 8 AZR 225/23) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) neue Maßstäbe gesetzt und die Rechte von Arbeitnehmern im Kontext der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gestärkt. Diese Entscheidung sowie die Vorinstanz des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf (Urt. v. 26.04.2023, Az. 12 Sa 18/23) illustrieren die rechtlichen Grenzen der Arbeitnehmerüberwachung und die daraus resultierenden Entschädigungsansprüche.
Der Sachverhalt
Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer beschatten lassen, um den Verdacht einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit zu überprüfen. Die beauftragte Detektei dokumentierte dabei den sichtbaren Gesundheitszustand des Arbeitnehmers. Dieser fühlte sich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte auf Schmerzensgeld.
Das LAG Düsseldorf gab dem Arbeitnehmer Recht und sprach ihm eine Entschädigung in Höhe von 1.500 Euro zu (Urt. v. 26.04.2023, Az. 12 Sa 18/23). Es begründete dies mit einem erheblichen Eingriff in die Privatsphäre sowie einer unrechtmäßigen Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Das BAG bestätigte diese Auffassung und hob die Bedeutung des Datenschutzes hervor.
Die rechtliche Grundlage: Verarbeitung von Gesundheitsdaten
Gemäß Art. 4 Nr. 15 DSGVO zählen Daten, die sich auf die physische oder psychische Gesundheit einer Person beziehen, zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten. Ihre Verarbeitung unterliegt den strengen Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 DSGVO. Eine solche Verarbeitung ist nur zulässig, wenn eine ausdrückliche Einwilligung vorliegt oder eine gesetzliche Grundlage sie rechtfertigt.
Im vorliegenden Fall fehlte eine Einwilligung des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber konnte sich auch nicht auf eine gesetzliche Grundlage stützen, da der Verdacht einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit allein nicht ausreichte, um die Verarbeitung der Daten zu rechtfertigen. Das BAG sah daher einen Verstoß gegen die DSGVO und bestätigte den Anspruch des Arbeitnehmers auf Schmerzensgeld.
Persönlichkeitsrecht und Privatsphäre
Die Überwachung eines Arbeitnehmers stellt einen erheblichen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht dar. Dieses Recht ist grundrechtlich geschützt und umfasst insbesondere die Privatsphäre. Die Observation durch eine Detektei führt dazu, dass der Arbeitnehmer sich jederzeit beobachtet fühlen kann, was eine erhebliche psychische Belastung darstellt.
Das BAG betonte, dass Arbeitgeber vor einer Überwachung stets eine Interessenabwägung vornehmen müssen. Hierbei ist zu prüfen, ob mildere Mittel zur Verfügung stehen, um den Verdacht zu überprüfen. In vielen Fällen kann beispielsweise ein klärendes Gespräch oder die Einschaltung des Medizinischen Dienstes ausreichend sein.
Schmerzensgeld nach Art. 82 DSGVO
Art. 82 Abs. 1 DSGVO gewährt betroffenen Personen einen Anspruch auf Schadenersatz, wenn ihre personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden. Dieser Anspruch umfasst sowohl materielle als auch immaterielle Schäden. Im vorliegenden Fall wurde das Schmerzensgeld für den immateriellen Schaden zugesprochen, den der Arbeitnehmer durch die unrechtmäßige Überwachung erlitten hatte.
Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Schwere des Eingriffs, die Dauer der Überwachung und die subjektive Belastung des Betroffenen. Mit 1.500 Euro hielt das LAG Düsseldorf den Betrag für angemessen, was das BAG nicht beanstandete.
Praktische Auswirkungen für Arbeitgeber
Arbeitgeber sollten die folgenden Punkte beachten, um rechtliche Konsequenzen bei der Überwachung von Arbeitnehmern zu vermeiden:
- Prüfung der Verhältnismäßigkeit: Jede Überwachungsmaßnahme muss verhältnismäßig sein und darf nur als letztes Mittel eingesetzt werden.
- Dokumentation der Entscheidungsgründe: Arbeitgeber sollten genau dokumentieren, warum eine Überwachung erforderlich ist und warum mildere Mittel nicht ausreichen.
- Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben: Vor der Verarbeitung personenbezogener Daten muss geprüft werden, ob eine gesetzliche Grundlage vorliegt.
- Einbindung des Betriebsrats: In Betrieben mit Betriebsrat ist dessen Beteiligung erforderlich, wenn Überwachungsmaßnahmen geplant sind.
- Rechtsberatung: Arbeitgeber sollten sich vor der Einleitung einer Überwachung rechtlich beraten lassen, um Risiken zu minimieren.
Handlungsempfehlungen für Arbeitnehmer
Arbeitnehmer, die sich durch eine Überwachung in ihren Rechten verletzt fühlen, können folgende Schritte unternehmen:
- Information einholen: Zunächst sollte geklärt werden, ob und in welchem Umfang eine Überwachung stattgefunden hat.
- Rechtsbeistand suchen: Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann prüfen, ob die Überwachung rechtmäßig war und ob ein Schadenersatzanspruch besteht.
- Anspruch auf Auskunft: Nach Art. 15 DSGVO haben Betroffene das Recht, Auskunft über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu verlangen.
- Schadenersatz geltend machen: Liegt ein Verstoß gegen die DSGVO vor, kann Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO eingefordert werden.
Fazit
Die Entscheidung des BAG vom 25. Juli 2024 setzt deutliche Grenzen für die Überwachung von Arbeitnehmern und unterstreicht die Bedeutung des Datenschutzes im Arbeitsrecht. Arbeitgeber sollten sorgsam prüfen, ob eine Überwachung wirklich erforderlich ist, und alle gesetzlichen Vorgaben einhalten. Arbeitnehmer hingegen sollten ihre Rechte kennen und bei Verstoßen konsequent handeln. Die Rechtsprechung zeigt, dass Persönlichkeitsrechte und Datenschutz auch im Arbeitsverhältnis von zentraler Bedeutung sind.