Mobbing am Arbeitsplatz ist schwer zu beweisen, da die Übergriffe oft subtil erfolgen und Betroffene häufig allein mit ihrer Wahrnehmung dastehen. Ein Mobbingtagebuch ist daher ein zentraler Baustein in der Beweissicherung. Es hilft nicht nur, Vorfälle genau zu dokumentieren, sondern bildet auch eine Grundlage für Gespräche mit Vorgesetzten, dem Betriebsrat oder im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Doch wie führt man ein Mobbingtagebuch richtig? Welche rechtliche Relevanz hat es, und worauf ist bei der Beweissicherung noch zu achten?
Was ist ein Mobbingtagebuch, und warum ist es wichtig?
Ein Mobbingtagebuch ist eine systematische Aufzeichnung von Vorfällen, die Betroffene als Mobbing empfinden. Es dient dazu, die Kontinuität, Häufigkeit und Schwere der Übergriffe zu dokumentieren. Da Mobbing nach der Rechtsprechung als Gesamtheit von Handlungen betrachtet wird (BAG, Urteil vom 16. Mai 2007, Az. 8 AZR 709/06), ist ein Mobbingtagebuch ein unverzichtbares Hilfsmittel, um die systematische Natur der Angriffe darzulegen.
Die Dokumentation schafft Klarheit über das Ausmaß der Belästigungen und kann in Gesprächen mit dem Arbeitgeber oder vor Gericht als Beweis dienen. Sie trägt auch dazu bei, die eigene Position zu stärken und emotionale Belastungen zu bewältigen, indem sie eine objektive Grundlage für die Bewertung der Vorfälle liefert.
Wie führt man ein Mobbingtagebuch korrekt?
1. Struktur und Details
Ein Mobbingtagebuch sollte so präzise und detailliert wie möglich geführt werden. Jeder Vorfall sollte mit Datum, Uhrzeit und Ort festgehalten werden. Es ist wichtig, die beteiligten Personen sowie den genauen Ablauf der Situation zu beschreiben. Beispielsweise:
- „Am 10. Januar 2025 um 9:30 Uhr kritisierte mein Vorgesetzter mich vor versammelter Mannschaft ungerechtfertigt und beleidigte mich als ‚unfähig‘, obwohl meine Arbeit korrekt war.“
2. Direkte Zitate und konkrete Beispiele
Direkte Zitate und konkrete Situationen haben eine hohe Beweiskraft. Statt allgemeiner Aussagen wie „Ich werde ständig beleidigt“ sollte das Tagebuch exakte Formulierungen wie „Mein Kollege sagte am 15. Februar 2025: ‚Du bist zu dumm für diesen Job.‘“ enthalten.
3. Emotionale Auswirkungen und gesundheitliche Folgen
Neben der Beschreibung der Vorfälle sollten auch die emotionalen und gesundheitlichen Folgen dokumentiert werden. Hinweise wie „Ich hatte nach dem Vorfall starke Kopfschmerzen und konnte mich nicht konzentrieren“ zeigen die Auswirkungen auf das persönliche Wohlbefinden und können im späteren Verlauf als Beleg für Schmerzensgeldansprüche dienen.
4. Zeugen und Beweise
Wenn Zeugen anwesend waren oder es Beweise wie E-Mails, SMS oder andere Dokumente gibt, sollten diese ebenfalls im Tagebuch vermerkt werden. Eine Notiz wie „Herr Müller war bei diesem Vorfall anwesend und kann dies bestätigen“ erhöht die Glaubwürdigkeit der Einträge.
Welche rechtliche Relevanz hat ein Mobbingtagebuch?
Gerichtliche Beweiskraft
Ein Mobbingtagebuch wird vor Gericht als Beweismittel akzeptiert, sofern es lückenlos und glaubhaft geführt wurde. Die Rechtsprechung betont, dass Mobbing eine systematische Verletzung der Persönlichkeitsrechte darstellt (§ 241 Abs. 2 BGB). Ein präzises Tagebuch hilft dabei, die systematische Natur der Handlungen darzulegen.
Die Dokumentation kann zudem durch Zeugenaussagen oder weitere Beweismittel untermauert werden. Ein Beispiel ist die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25. Februar 2015, Az. 8 Sa 560/14), bei der ein Mobbingtagebuch entscheidend für die Zuerkennung von Schadensersatz war.
Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld
Ein detailliertes Mobbingtagebuch kann die Grundlage für Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach § 253 Abs. 2 BGB bilden. Die Einträge sollten dabei die Schwere und Dauer der Übergriffe sowie deren gesundheitliche Folgen dokumentieren.
Pflicht des Arbeitgebers zur Abhilfe
Nach § 618 BGB ist der Arbeitgeber verpflichtet, seine Mitarbeiter vor schädigenden Einflüssen zu schützen. Ein Mobbingtagebuch kann genutzt werden, um den Arbeitgeber schriftlich auf die Vorfälle hinzuweisen und Maßnahmen zu fordern. Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, können Betroffene ihre Ansprüche auch auf diese Verletzung der Fürsorgepflicht stützen.
Was ist bei der Beweissicherung noch zu beachten?
1. Schriftliche Kommunikation
Neben dem Tagebuch ist es ratsam, die Vorfälle auch schriftlich an den Arbeitgeber zu melden. Diese Meldung sollte per Einschreiben erfolgen, um den Nachweis zu sichern. E-Mails oder Briefe, die die Vorfälle beschreiben, sind ebenfalls wichtige Beweismittel.
2. Ärztliche Gutachten
Wenn Mobbing gesundheitliche Schäden verursacht, sind ärztliche Atteste oder Gutachten unerlässlich. Diese können den Zusammenhang zwischen den Mobbinghandlungen und den gesundheitlichen Folgen bestätigen und die Beweiskraft der Dokumentation erhöhen.
3. Unterstützung durch Zeugen
Kollegen oder Dritte, die Vorfälle beobachtet haben, können als Zeugen benannt werden. Es ist hilfreich, deren Aussagen ebenfalls im Tagebuch zu vermerken, um die Glaubwürdigkeit der Dokumentation zu stärken.
Welche rechtlichen Schritte können Betroffene einleiten?
Interne Maßnahmen
Betroffene sollten zunächst den Arbeitgeber oder den Betriebsrat über die Vorfälle informieren. Der Betriebsrat hat gemäß § 85 BetrVG die Aufgabe, Beschwerden von Arbeitnehmern zu prüfen und auf Abhilfe hinzuwirken. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, wie etwa Abmahnungen oder Versetzungen.
Gerichtliche Schritte
Wenn die internen Maßnahmen scheitern, können Betroffene vor dem Arbeitsgericht Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend machen. Ein Mobbingtagebuch bildet dabei die Grundlage, um die systematischen Übergriffe glaubhaft darzulegen. Je nach Schwere der Vorfälle können auch strafrechtliche Schritte, etwa wegen Beleidigung (§ 185 StGB) oder übler Nachrede (§ 186 StGB), eingeleitet werden.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Ein Mobbingtagebuch ist ein zentrales Instrument, um Vorfälle systematisch zu dokumentieren und als Beweis im Rahmen von Gesprächen oder rechtlichen Verfahren zu nutzen. Betroffene sollten es präzise führen, emotionale Auswirkungen beschreiben und ergänzende Beweismittel sammeln. Neben der Dokumentation ist es wichtig, frühzeitig mit dem Arbeitgeber oder Betriebsrat zu sprechen und externe Unterstützung, etwa durch einen Anwalt, zu suchen.
Rechtlich wird die Beweissicherung weiterhin eine entscheidende Rolle spielen, da es bislang keine spezifischen gesetzlichen Regelungen für Mobbing gibt. Zukünftige Reformen könnten jedoch die Anforderungen an die Beweisführung erleichtern und den Schutz für Arbeitnehmer verbessern. Bis dahin bleibt es entscheidend, die eigenen Rechte aktiv wahrzunehmen und alle Vorfälle lückenlos zu dokumentieren.